In beige- und khakifarbene, wasserfeste Latzhosen gekleidet stehen Bernd Paulin und Hilar Birker von den Fliegenfischerfreunden Allgäu hüfttief im leicht getrübten Wasser der Oberen Argen bei Gestratz. Mit Karabinern, dünnen Stahlseilen und Bodenankern befestigen sie vier 7×3 Zentimeter lange und dicke kapselförmige Gegenstände an der Uferböschung und lassen sie sanft ins Wasser gleiten. Ge-schützt durch ein wasserdichtes Aluminiumgehäuse befinden sich in den Kapseln hochsensible Sensoren, die die umgebende Wassertemperatur in stündlichem Intervall erfassen. Zum offiziellen Ein-setzen der Temperaturmesssensoren kamen auch der Vorsitzende des Regionalentwicklung Westallgäu-Bayerischer Bodensee e.V., Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt, und Engelbert Fink, Bürgermeister von Gestratz.

Förderung durch europäisches LEADER-Programm der Regionalentwicklung

Dass der Verein diese Temperaturmesssensoren anschaffen konnte, liegt an der Förderung durch die Regionalentwicklung Westallgäu-Bayerischer Bodensee e.V.: Denn die Lokale Aktionsgruppe, in der Region zuständig für das europäische LEADER-Programm, bezuschusst im Rahmen des Projekts „Unterstützung Bürgerengagement“ lokale Akteure unbürokratisch mit bis zu 1.500 Euro, wobei die Fliegenfischerfreunde abzüglich der nicht förderfähigen Mehrwertsteuer 1.215 Euro für die Sensoren erhielten. Für Vorstand Bernd Paulin hat die Anschaffung der Sensoren eine hohe Bedeutung für die Vereinstätigkeit, denn „durch die kontinuierlichen Messungen erhalten wir einen Überblick über die Wassertemperatur im Tages- und Jahresverlauf und können die Pflege und die Befischung entsprechend unserer nachhaltigen, ökologischen Bewirtschaftungsphilosophie anpassen.“ Auslöser der Überlegungen, Temperaturmesssensoren anzuschaffen, waren die heißen Sommer der letzten Jahre, darunter insbesondere der Hitzesommer 2023.

Heimische Fischarten benötigen kühles, sauerstoffreiches Wasser

Da heiße Sommer mit fortschreitendem Klimawandel tendenziell zunehmen, ist die Temperaturmessung wichtig, um den Fortbestand der Arten zu sichern: Gerade die im Allgäu heimischen Äschen und Bachforellen sind auf kühle, sauerstoffreiche Gewässer angewiesen – optimale Lebensbedingungen finden sie zwischen acht C° bzw. 18 C°. Da der Sauerstoffgehalt bei höheren Wassertemperaturen abnimmt, steigt der Stress für die Fische, auch ihre Anfälligkeit für Krankheiten nimmt zu. Mit den regelmäßigen Messungen wollen die Fliegenfischerfreunde Trends und mögliche gefährliche Entwicklungen frühzeitig erkennen und gegebenenfalls entsprechend reagieren: So können sie zunächst das aktive Befischen einstellen sowie im Extremfall Fischbergungen und andere Notfallmaßnahmen einleiten, um ein Sterben der Fische zu verhindern.

Respekt und ökologische Bewirtschaftung im Fokus

Sieben Gleichgesinnte gründeten im Frühjahr 2018 die Fliegenfischerfreunde Allgäu e.V., die mittlerweile auf 31 aktive Erwachsene angewachsen sind. Sie alle eint ihre Leidenschaft für diese spezielle Angelform, bei der künstliche Fliegen als Köder verwendet werden und nicht hohe Fangquoten, sondern der respektvolle Umgang mit dem Individuum Fisch und die Erhaltung seines Lebensraums im Mittelpunkt stehen. Zu Beginn jeden Jahres betreuen die Allgäuer Fliegenfischerfreunde zudem mit hohem zeitlichem Einsatz zwei Brutboxen mit knapp 30.000 Brütlingen, die im März in die Freiheit entlassen wurden. Mit etwas Glück erreichen 2-3 % Prozent das Fortpflanzungsalter.

Der besondere Reiz des Fliegenfischens

Hohe Anziehungskraft, so Bernd Paulin und sein Vorstandskollege Antonio Hernandez, übe auch das Naturerlebnis aus, das beim Fliegenfischen intensiver als beim klassischen Angeln sei: Dadurch, dass Fliegenfischer primär am und im Gewässer unterwegs seien, hätten sie mehr tierische Begegnungen, z.B. mit den scheuen, blauschillernden Eisvögeln, frechen Wasseramseln oder gemächlich durch das Wasser gleitenden Bibern. Besonderen Reiz hat es zu-dem, die Fische mit selbst angefertigten Ködern, die echte Insekten in Form, Farbe und Größe möglichst perfekt imitieren, zu überlisten und sie mit Geschick und etwas Glück zum Anbeißen zu animieren. Dieses Fliegenbinden ist eine Kunst für sich – so erfordert es viel Fingerspitzengefühl, bis Hirschhaar und Hasenfell mit Garn oder Silberdraht um den Haken gewickelt und Pfauenfedern und Perlen befestigt sind.

Als Lokale LEADER-Aktionsgruppe freuen wir uns sehr, die Allgäuer Fliegenfischerfreunde bei der Finanzierung der Temperaturmesssensoren unterstützen zu können und sind schon gespannt auf die Messergebnisse.